Hondsdraf - Johan Meijer singt Gerhard Gundermann
(Nederossi 2008) 09.05.2013
Mitten
im
schönen
Oktober
2012
gab
die
alte
Seilschaft
mit
neuem
Frontmann
Haase
eines
ihrer
wenigen
Konzerte.
Das
Freiberger
Tivoli
erlebte
dort
auch
JOHAN
MEIJER,
die
„Schwarze
Galeere“
singend.
Dem
Mann
aus
der
Heimat
von
Ekseption,
Tee
Set
und
Shocking
Blue
ist
wahrscheinlich
das
passiert,
was
wir
meist
anders
herum
kennen,
denn
diesmal
covert
ein
„Wessi“
einen
„Ossi“,
um
die
platt
gewalzten
Plattheiten
noch
einmal
zu
bemühen.
Der
Holländer
JOHAN
MEIJER
hatte
irgendwann
die
Lieder
von
Gerhard
Gundermann
aus
der
Lausitz
für
sich
entdeckt
und
einige
von
Ihnen
auf
eine
CD
mit
dem
schönen
Titel
„Hondsdraf“
(Efeu)
gebracht.
In
Freiberg
war
ich
sofort
von
dieser
anderen
Art,
den
Gundemann
zu
interpretieren,
angetan.
Bis
zu
diesem
Zeitpunkt
wusste
ich
nichts
vom
singenden
Holländer
und
ein
paar
Tage
nach
dem
Konzert wollte es der Zufall, dass ich inzwischen eine von ihm selbst signierte CD in den Hände halte.
Meijer
versucht,
für
meine
Begriffe
über
weite
Strecken
überaus
einfühlsam,
mitunter
überraschend
und
mit
Gespür
für
den
Inhalt,
insgesamt
17
Lieder
von
Gundi
in
seine
eigene
Sprache
und
Diktion
zu
übernehmen.
Während
Gundi
aber
sich
eher
zu
den
urwüchsigen
Melodien
eines
Bruce
Springsteen
hingezogen
fühlte
sowie
sich
vom
Melodienreichtum
schottisch-irischer
Folk-Songs
und
dem
Leben
in
seiner
rauen
Lausitzer
Heimat
inspirieren
ließ,
so
scheint
es
mir,
dass
sich
dieser
JOHAN
MEJER
eher
zum
eleganten
Stil
eines
Jacques
Brel
hingezogen
sieht.
Das
ergibt
sich
schon
allein
aus
der
Sicht
der
Geografie
und
deshalb
taucht
das
Akkordeon
im
Stil
der
Musette
auf
und
eine
Spielweise
ist
zu
hören,
die
insgesamt natürlich anders ist, aber passend zur weichen und warmen Stimme des Holländers erklingt.
Dieses
Anderssein
wird
bereits
mit
den
ersten
Tönen
der
CD
beim
Hören
von
„loslopen“
(Leine
los)
deutlich,
das
überraschend
schwermütig
und
harmonietrunken
aus
den
Boxen
klingt,
mir
gar
erst
ein
wenig
Überwindung
abfordert,
zu
glauben,
dass
dies
ein
Lied
von
Gundi
werden
könnte.
Auch
bei
den
ersten
Tönen
von
„zanloper“
(Herzblatt)
glaube
ich
zunächst,
einen
mir
bekannten
Song
der
Sands
Family
eingelegt
zu
haben,
so
sehr
erinnert
mich
das
Intro
an
eine
irische
Kneipenatmosphäre
eines
Liedes
der
Iren,
ehe
sich
plötzlich
auch
hier
der
Gundi
auf
Holländisch,
mit
Mandoline
und
Klavier
sowie
einem
sehr
einfühlsamen
Zwischenstück,
vom
Akkordeon
gespielt,
aus
der
Melodie
pellt.
Auf
die
gleiche
Weise,
beinahe
düster
und
schwer,
kommt
„geen
tijd
meer“
(Keine
Zeit
mehr)
aus
den
Boxen
gekrochen.
Den
besonderen
Touch
bekommt
die
Melodie
wieder
vom
Spiel
des
Akkordeons
verpasst
und
so
langsam
gewöhne
ich
mich,
nach
den
ersten
drei
Liedern,
an
die
Art
des
Holländers,
in
die
Haut
vom
Gundermann
zu
schlüpfen.
Was
mir
spätestens
jetzt
auffällt,
ist
die
Tatsache,
soweit
ich
das
verstehen
und
nachvollziehen
kann,
dass
der
Sänger
sich
sehr
bemüht,
auch
textlich
möglichst
nah
am
Original
zu
bleiben.
Als
ein
Beispiel
dafür
kann
man
sich
„vechten
als
mannen“
(Kämpfen
wie
Männer)
mal
etwas
bewusster
anhören
und
sich
darüber
freuen,
wie
gut
dem
Meijer
ein
Gundi
gelingt
und
dennoch
etwas
anders
dabei
herüber
kommt.
Sogar
ein
kurzes
freches
Solo
einer
Gitarre
ersetzt
hier
einmal
das
Akkordeon
und
ein,
für
Gundi-Lieder
oft
typischer, Chorus reißt mich mit.
Auf
filigranen
Gitarrentupfern
kommt
der
„vliegende
vis“
(Fliegender
Fisch)
daher
und
mir
scheint,
zerbrechliche
Melodien
wie
diese,
liegen
JOHAN
MEIJER
als
Sänger
mehr,
als
die
eher
robusten
Kracher
des
Lausitzer
Baggerführers,
die
wahlweise
vor
Wut
oder
Lebenskraft
schier
bersten
können.
In
den
„Fliegenden
Fisch“
vom
Johan
kann
man
sich
gut
verlieben,
während
mir
das
nachfolgende
„mijn
handen“
(Meine
Hände)
dann
doch
irgendwie
fremd
vorkommt.
Hier
dominiert
(bei
mir)
das
Original
im
Hinterkopf
über
die
dezent
und
einfühlsam
gesetzten
Töne
des
Akkordeons
und
die
Stimme
des
Sängers,
so
beeindruckend
das
auch
gemacht
ist.
Andere
mögen
das
sicher
anders
empfinden,
aber
das
ist
ja
auch
gut
so.
Das
uns
allen
bestens
bekannte
„Krieg“,
über
das
gespannte
Verhältnis
zweier
deutscher
Staaten
vor
und
danach,
übersetzt
JOHAN
MEIJER
in
seinen
eigenen
und
insgesamt
größeren
Kontext
und
macht
daraus
einen
Song
über
den
„koude
oorlog“
(Kalter
Krieg),
ohne
dadurch
das
reine
Klangbild
dieses
besonderen
Liedes
wesentlich
zu
verändern.
Ähnliche
Assoziationen
erlebe
ich
mit
„jedereen
of
niemand“
(Alle
oder
keiner),
wobei
mir
insgesamt
die
melodramatische
Grundstimmung
ein
wenig
„schaumgebremst“
daher
kommt,
was
zur
Folge
hat,
dass
dies
für
mich
das
einzige
Lied
auf
dieser
Scheibe
ist,
dem
ich
gefühlt
nicht
folgen
mag.
Mir
fehlen
einfach
die
Wucht
eines
Gundermann,
der
es
zu
einer
trotzige
Aufforderung
macht,
deren
Faszination
und
Dynamik
mir
hier
einfach
fehlt,
denn
es
überwiegt
die
Stimmung
der
Musette, die gefühlt alles ein wenig lieblicher macht, was ich aber bei „Alle oder keiner“ gar nicht haben möchte.
Dafür
vertröstet
mich
dann
„steengezichten“
(So
wird
es
Tag)
wieder
vollständig
und
stimmt
mich
versöhnlich
mit
einem
feinen
Ansatz
von
Swing
und
Leichtigkeit,
eine
Mischung,
die
mir
wirklich
gut
gefällt.
Und
dann
wird
MEIJEER
wieder
einer,
der
vollständig
in
die
Haut
von
Gundi
schlüpft,
wenn
er
„janken“
(Und
musst
du
weinen),
die
kleine
Alltagsgeschichte,
förmlich
zelebriert
und
meinen
Ohren
schmeichelt.
Jetzt
bin
ich
wieder
mittendrin
und
folge
dem
Sänger
zu
„ooit“
(Soll
sein),
lasse
mich
von
seiner
Stimme
und
dem
faszinierenden
Spiel
des
Akkordeons
verführen.
Staunend
stelle
ich
fest,
dass
ich
immer
besser
mit
den
Worten
der
mir
fremden
Sprache
klar
komme.
Für
mich
ist
„ooit“
eines
der
wirklich
gelungen
Stücke
der
CD,
alles
ist
in
sich
schlüssig
und
fließt
geschmeidig
dahin,
ist
einfach
nur
schön.
Genau
so
empfinde
ich
„er
kommt
een
dag“
(Es
kommt
der
Tag)
mit
dem
Chor
im
Hintergrund
und
einer
wimmernden
Gitarre,
wie
man
sie
heute
noch
bei
der
Seilschaft
live
erleben
kann.
So
verspielt,
frei
und
ausufernd
hätte
es
Gundi
sicher
auch
geliebt.
Toller
Schluss
übrigens!
Gerhard
Gundermann
und
Reggae
–
warum
eigentlich
nicht?
Da
kann
man
nur
ungläubig
staunen,
was
da
aus
„ik
teken
voor
de
vrede“
(Ich
mache
meinen
Frieden)
für
ein
freches
Stück
geworden
ist
und
wie
vertraut
dennoch,
oder
gerade
deswegen,
mir
das
Lied
mit
dieser
Leichtigkeit
davon
singt,
mit
„all
den
Idioten
seinen
Frieden“
zu
machen.
Wenn
dann
noch
so
ein
tolles
Akkordeon
uns
gar
die
Tanzschritte
dazu
diktiert,
kann
ich
mir
sogar
vorstellen,
„all
den
Idioten
dieser
Welt“ einfach fröhlich davon zu tanzen. Wirklich eine grandiose Nummer ist das geworden.
Auch
„zwerfhonden“
(Streunende
Hunde)
entpuppt
sich
als
so
ein
kleines
Schmäckerchen,
das
mit
einem
rauen
Saxophon
überrascht
und
wo
man
so
nebenbei,
wie
bei
den
anderen
Liedern
auch,
mit
viel
Liebe
eingearbeitete
Details
entdecken
kann
und
„gras“
(Gras)
ist
einfach
nur
gut
gelungen
und
wie
beim
Original,
kann
ich
mich
hier
vorbehaltlos
fallen
lassen
und genießen. Beinahe erwische ich mich beim Schunkeln und beim Mitsummen ebenso. Volltreffer!
Eindringlich,
weil
sich
Johann
nur
mit
seiner
Gitarre
begleitet,
wirkt
„komen
und
gaan“
(Kommen
und
gehen)
auf
mich.
Hier
ist
mir,
als
würden
Komponist
und
Sänger,
obwohl
unterschiedliche
Charaktere,
eins
werden.
Der
Lausitzer
schenkt
dem
auf
Noten
fliegenden
Holländer
seine
weiten
Schwingen,
um
eigene
Befindlichkeiten
für
uns
neu
ergründbar
zu
machen. Das berührt auf ganz besondere Weise.
Das
Lied,
mit
dem
mich
JOHAN
MEIJEER
auf
der
Bühne
live
neugierig
gemacht
hatte,
beschließt
den
kleinen
Silberling.
Noch
einmal
sehe
ich
ihn
beim
Hören
vor
mir
stehen
und
dann
schließt
sich
ein
Kreis
der
Entdeckungen
und
anderen
staunenden
Erfahrungen
für
mich.
Die
Dynamik
der
Streicher
im
Gleichklang
mit
einer
Flöte
hinterher
zu
lauschen
und
dabei
zu
wissen,
Gundermann
neu
erfahren
und
mir
JOHAN
MEIJER
„erhört“
zu
haben,
ist
ein
schönes
Gefühl
zum
Ausklang.
Nach
den
Stolperschritten
am
Beginn
bin
ich
nun
heilfroh,
dieses
Kleinod
zu
besitzen
und
bei
Bedarf,
den
anderen Gundi hören zu können.
Ich
gebe
gern
zu,
dass
ich
mich,
als
einer,
der
in
der
vom
Kohlestaub
geschwängerten
Luft
der
nahen
Kokereien
und
am
Rande
der
riesigen
Tagelöchern
aufgewachsen
ist,
zunächst
etwas
schwer
getan
habe,
mich
in
das
Empfinden
von
JOHAN
MEIJER
hinein
zu
hören.
Mir
war
zunächst
der
ruppige
Mann
vom
Bagger
und
Bühne
näher,
als
der
Holländer
aus
den
„niederen
Landen“
mit
seinem
weichen
Akzent
und
den
anderen
Erfahrungen.
Vielleicht
liegt
es
daran,
dass
viele
der
von
Gundi
besungenen
Momente,
auch
irgendwie
hier
und
da
in
meinem
ganz
eigenem
Leben
verankert
sind
und
es
schwer
fällt,
sich
von
beliebten
kleinen
Klischees
auch
mal
zu
trennen.
Der
Genuss
kam
erst
mit
dem
mehrmaligen
Hören
und
das
braucht eben seine Zeit und auch immer wieder größere Abstände, sprich Wochen, dazwischen.
Der
CD
liegen
zwei
kleine
Hefte
in
jeweils
deutsch
und
holländisch
bei,
so
dass
der
Hörer
sich
ganz
gut
in
die
sprachlichen
Bilder
des
Künstlers
hinein
versetzen
und
außerdem
etwas
von
seiner
eigenen
Motivation
erfahren
kann.
Das
macht
dieses
kleine
Päckchen
zusätzlich
interessant.
Mir
hat
sich
der
Eindruck
aufgedrängt,
obwohl
es
anders
ist,
dass
hier
nur
ein
Duo
musiziert,
denn
zu
überwältigend
sind
die
instrumentalen
Beiträge
des
2007
verstorbenen
Sergey
Shurakov
mit
seinem
Akkordeon,
der
Meijer
als
Sänger
und
Gitarrist
ein
gleichwertiger
Partner
ist.
Manchmal
hatte
ich
zudem
den
Eindruck,
dass
es
der
gestalterische
Ideenreichtum
Gundermanns
schwer
macht,
seinen
Intensionen
in
anderer
Sprache
und
mit
anderen
musikalischen
Mitteln
zu
folgen
oder
zu
übertragen.
Es
gibt
einige
wenige
Momente,
die
ich
so
empfinde,
was
den
Gesamteindruck überhaupt nicht im geringsten mindert.
Mir
gefällt
die
Liedersammlung
des
Holländers
und
manche
der
ausgewählten
Melodien
erstrahlen
in
einem
anderen,
zauberhaften Glanz, ohne die Originale alt aussehen zum lassen. Das tut gut.
Rückblickend
finde
ich
es
ungemein
spannend,
mir
die
Auswahl
des
Holländers
selbst
erarbeitet
zu
haben
und
dabei
über
einen
längeren
Zeitraum
zu
erfühlen,
was
ihn
vielleicht
bewogen
haben
könnte,
die
Zusammenstellung
gerade
so
und
nicht
anders
zu
singen.
Letztlich
empfinde
ich
das
Hören
dieser
schönen
Scheibe
wie
eine
aufregenden
Reise
in
einem
fremden
Land,
das
mir
dennoch
sehr
vertraut
vorkommt.
Einige
der
Lieder
von
Gundi,
die
auf
der
Sammlung
von
JOHAN
MEIJER
vereint
sind,
habe
ich
deshalb
noch
einmal
neu
und
anders
für
mich
entdecken
können.
Gern
empfehle
ich
deshalb
anderen,
ebenfalls
auf
diese
Reise
zu
gehen,
sich
einzulassen
und
vielleicht
auch
vertraute
Flecken
noch
einmal,
aus
der
anderen
Richtung
kommend,
zu
entdecken
und
wer
einen
Hermann
van
Veen
mag,
kommt
irgendwann
an
JOHAN
MEIJEER
auch
nicht
mehr
vorbei.
Sollte
jemand
allerdings
bisher
von
Gerhard
Gundermann
noch
gar
nichts
gewusst
haben,
dann
kann
er
mit
dem
Erleben
dieser
Lieder
vielleicht
einen
ganzen
neuen
Horizont
für
sich
entdecken,
den
man
beinahe
beliebig nach hinten verschieben kann, Gerhard Gundermann entgegen.